Hemmis Fahrzeugbau

Dass es zu Beginn des 21. Jahrhunderts Fahrzeugbaufirmen mit einer über 100jährigen Geschichte gibt,
ist nicht selbstverständlich, denn in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg bis in die 1970er Jahre hinein vollzog
sich der Wandel vom "Stellmacher" zum "Karosseriebauer" - der traditionelle Werkstoff Holz wurde von Metall
und Kunststoff nahezu völlig verdrängt !
Fahrzeugbaufirmen, die sich diesem Trend verschlossen, blieben schon bald auf der Strecke. Und selbst, wer sich innovativ
genug zeigte und die neuen Fertigungstechniken einsetzte, musste sich früher oder später eine Nische suchen, die nicht durch
die Großserienhersteller bedient wurde - aber auch hier konnte man mittelfristig auf das falsche Pferd setzen und dann vom
Markt verschwinden. Insofern ist es etwas Besonderes, dass hier historische Bilder von Hanomag- und Tempo-Fahrzeugen
gezeigt werden können, die Aufbauten einer Fahrzeugbaufirma zeigen, welche 1907 gegründet worden ist und noch heute existiert !

Heinrich Hemmis sen. begann anno 1906 mit seiner Stellmacherei in Heessen (Kreis Beckum). Da es sich andeutete, dass er
damit seinen Lebensunterhalt bestreiten kann, wird der Betrieb offiziell am 01. April 1907 bei der Handwerkskammer Münster
eingetragen.

Zu dieser Zeit hat der Stellmacher vorrangig mit Holz zu tun : Kutschen, Schlitten, Holz-Schubkarren, Leiterwagen, Zugdeichseln für
Pferdegespanne und andere Holzarbeiten bilden das Rückgrat der Firma. Für größere Metallarbeiten war seinerzeit der Schmied
zuständig, aber kleinere Reparaturen wurden auch damals schon vom Stellmacher Hemmis erledigt : ein Amboß und eine Esse
waren noch bis zu Beginn der 1960er Jahre in der Werkstatt vorhanden !

Der 1915 geborene Sohn Heinrich jun. legt 1939 vor der Handwerkskammer Koblenz seine Meisterprüfung als "Karosseriebauer" (!)
ab; üblicherweise nennt sich der Beruf seinerzeit eigentlich noch (je nach Region) Stellmacher, Wagner oder Rademacher.
Als Fachmann war er im Zweiten Weltkrieg ab 1940 bei der Instandsetzung einberufen und geriet später in russische
Kriegsgefangenschaft, aus der er 1948 nach Deutschland zurückkehrte.
Daher fehlte er auch beim Wiederaufbau der Werkstatt sowie des Wohnhauses, welche Ende 1944 durch Bombenangriffe völlig
zerstört worden waren. 1947 wurde aus alten Backsteinen die erste Halle neu aufgebaut.
Trotz teilweise schlechter Zahlungsmoral der Kunden wurde der Betrieb aufrecht erhalten, so dass Mitte der 1950er Jahre sogar
die erste moderne Halle angebaut werden konnte. Ermöglicht wurde dies durch Kunden wie die Hammer Eiswerke oder die
Brauerei Isenbeck (für die neben den obligatorischen Pritschenwagen auch einige Sonderfahrzeuge gefertigt wurden - wie z.B.
der Isenbeck-Löschzug).

Die 1960er Jahre interessieren uns hier am meisten - und es waren rückblickend für die Firma Hemmis goldene Jahre :
ein neues Gesetz besagte, dass auf Wochenmärkten Lebensmittel nicht mehr auf Tischen oder unter Sonnenschirmen angeboten
werden durften. Der Boom der Verkaufsstandwagen und -anhänger setzte ein !
Für die Firma Hemmis stellte es sich als Vorteil heraus, dass die Tempo-Vertretung Fritz Franken in Hamm einen sehr rührigen
Vertreter namens Heinz Kamradt hatte : dieser wusste es, die Vorteile der Tempo-Wagen (Frontantrieb und damit verbundene
völlige Gestaltungsfreiheit für die Aufbauten) mit seinen Kontakten zur Firma Hemmis und zu den Wochenmarkt-Händlern zu
vereinen ! Das Resultat sind etliche Sonderaufbauten auf Tempo-Fahrgestellen, von denen einige hier präsentiert werden können !
Dies ist nur möglich durch den Sohn von Heinrich Hemmis jun., Herrn Heinz Hemmis, der zusammen mit seinem Bruder Hubert
die Firma Hemmis nun in der dritten Generation leitet und uns diese Bilder zur Verfügung gestellt hat :

Tempo Matador I Verkaufsstandwagen und Hanomag Kurier Sattelzugmaschine mit Verkaufsstand-Auflieger :

Tempo Matador I Milchverkaufswagen :

Hanomag Markant, bei dem nicht nur der Aufbau, sondern auch die Doppelkabine von Hemmis gefertigt worden war !